Automatisiertes Fahren: Alles unter Kontrolle?

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Wann der Fahrer zum Passagier wird und umgekehrt. Und warum vier Sekunden für Sicherheitsforscher viel zu wenig sind.

Automatisiertes Fahren gilt als die Zukunft der Mobilität: Leistungsfähigerer Verkehr und Reduktionen der Verkehrsopferzahlen sowie der Emissionen und Staus – die Erwartungshaltung ist groß. Schritt für Schritt halten neue Technologien in privaten Pkw und Nutzfahrzeugen Einzug. Doch ist alles, was neu ist, auch automatisch gut? Ein gemeinsames Positionspapier der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu), der deutschen Unfallforschung der Versicherer (UDV) und des KFV beleuchtet den Stand der Wissenschaft und Forschung und liefert klare Forderungen.

Alles unter Kontrolle?
Teil- und hochautomatisiertes Fahren mit menschlichen Eingriffsmöglichkeiten sind wohl nicht mehr allzu lange Zukunftsmusik. Doch wo endet das Wunder Technik und wo muss die Eigenverantwortung des Fahrers beginnen? Steuermann und -frau müssen jedenfalls den Durchblick bewahren und sich der Grenzen der Technik bewusst sein. Aufgabe der Hersteller wird daher sein, diese Grenzen transparent und klar verständlich zu gestalten. Damit der Mensch die Maschine beherrscht und nicht umgekehrt.

Technische Vielfalt – mehr Risiko?
Prognosen lassen uns wissen: Künftig wird es ein Nebeneinander von Fahrzeugen unterschiedlicher Automatisierungsgrade und manuell gesteuerter Fahrzeuge auf unseren Straßen geben. Ob diese inhomogene Mischung vermehrtes Risiko in sich birgt, werden intensive Forschung und wohl auch die tägliche Praxis zeigen.

Fahrerauge, sei wachsam
Teilautomatisierte Fahrzeuge sind schon heute unterwegs: Ihr Fahrer muss während der Aktivierung der einzelnen Funktionen das System aufmerksam überwachen. Langjährige interdisziplinäre Forschung hat jedoch gezeigt: Diese Überwachung vonseiten des Lenkers ist fordernd und fehleranfällig – neue Unfallmuster sind zu erwarten.

Vier Sekunden sind zu wenig
Für bestimmte Zeit selbstständig fahren, doch nur ausgewählte Situationen bewältigen: Das können hochautomatisierte Fahrzeuge bereits in wenigen Jahren. Der Lenker wird dieses System zwar nicht mehr ständig überwachen, allerdings nach Erreichen der Systemgrenzen nach Aufforderung eingreifen müssen.

Gemäß geplanter UNECE-Regelung soll der Fahrer für die Übernahme des Steuers nur vier Sekunden Zeit erhalten. Neueste Forschungsergebnisse der TU Braunschweig zeigen aber, dass ein ausgeschlafener Fahrer bei Ausführung einer beanspruchenden Nebenaufgabe selbst nach kurzer Fahrstrecke mit einem hochautomatisierten System rund acht Sekunden braucht, um das Fahrzeug zu übernehmen und rund 14 Sekunden bis zur vollen Situationskontrolle samt erstem Rückspiegel- und Tachoblick. Bei einem müden Lenker gilt Vergleichbares bereits ohne Nebenaufgabe.

Nobody is perfect
Vollautomatisiert und autonom fahrende Fahrzeuge können ein Gewinn für die Verkehrssicherheit sein – wenn sie unter allenBedingungen fehlerfrei funktionieren und auch erkennen, ob der Mensch am Steuer sie richtig bedient. Fahrzeuge müssen so konzipiert werden, dass sie in den vier Bereichen „Parken“, „Stadt“, „Außerorts“ und „Autobahn“ perfekte Performance liefern: das Tempo kontrollieren, sicher ein- und ausparken, typische Fahrmanöver wie Spurwechsel oder Überholvorgänge managen, Konflikte mit anderen Straßenbenutzern vermeiden – und menschliche Fehler verzeihen.

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