Notfall- und Intensivmediziner sowie Verkehrssicherheitsexperten drängen weiter auf Helmpflicht für E-Bike- und E-Scooter-Fahrende

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Massive Gehirnschäden, immer mehr tödliche Unfälle: Während öffentlich über Altersgrenzen diskutiert wird, zeigt sich in den Schockräumen der heimischen Krankenhäuser eine schonungslose Realität. Im Wettlauf gegen die Zeit kämpfen Ärztinnen und Ärzte um Menschenleben – oft im Wissen, dass selbst modernste Medizin die Folgen schwerster Kopfverletzungen nicht mehr rückgängig machen kann. Unabhängig vom Alter, bei jedem Kopf, jedem Menschen. Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) appelliert gemeinsam mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) an den Gesetzgeber, die derzeit in Begutachtung befindliche 36. StVO-Novelle zu überarbeiten und eine altersunabhängige Helmpflicht für E-Scooter und E-Bikes einzuführen.

Mindestens 28 Menschen sind in diesem Jahr auf Österreichs Straßen bei Unfällen mit E-Bikes tödlich verunglückt und fünf mit E-Scootern (Stand: 23.11.2025). Hinzu kamen zuletzt pro Jahr rund 7.500 spitalsbehandelte Verletzte nach Unfällen mit E-Scootern sowie fast 10.000 Verletzte mit E-Bikes. Das KFV fordert daher seit Längerem eine altersunabhängige Helmpflicht.

Laut der im Begutachtungsverfahren befindlichen 36. StVO-Novelle soll die Pflicht ab 1. Mai 2026 jedoch lediglich bis zum Alter von 14 Jahren bei E-Bikes und bis 16 Jahren bei E-Scootern gelten. Derzeit liegt das Alterslimit für die Helmpflicht bei Fahrrädern, E-Scootern und E-Bikes einheitlich bei zwölf Jahren. Uneinheitlich sind auch die geplanten Sanktionen: Für E-Bike-Fahrende ohne Helm sind keine Geldstrafen vorgesehen, während bei E-Scootern künftig bis zu 726 Euro Strafe drohen.

Bei E-Scootern liegt die Helmtragequote erst bei zehn Prozent

Wie eine KFV-Erhebung im Jahr 2025 zeigt, tragen beim Fahren mit E-Bikes erst 67 Prozent einen Helm – bei E-Scootern sogar nur zehn Prozent. „Jede Maßnahme zur Erhöhung der Helmtragequote ist ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV. „Aber die geplante Alterseinschränkung ist aus sachlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Bei E-Bikes ereignen sich nämlich auffallend viele Unfälle im fortgeschrittenen Alter und bei E-Scootern ist aufgrund der ungünstigen fahrdynamischen Eigenschaft eine Helmpflicht ohne Altersbeschränkungen ebenfalls unumgänglich.“

Aus Sicht der Notfall- und Intensivmedizin sind alle Altersgruppen gefährdet

Wie fatal Stürze enden können, weiß Dr. med. Rebana Scherzer, Leiterin der Jungen ÖGARI, aus der Praxis: „Stürze mit E-Scootern und E-Bikes erzeugen hohe Aufprallenergien. Ein Helm kann die Schwere der Verletzungen deutlich reduzieren.“

„Bei älteren Personen ist der Schädel zwar härter, doch die Elastizität nimmt ab – die Gefahr für schwere Gehirnverletzungen steigt“, ergänzt Priv.-Doz. Dr. Martin Dünser, DESA, EDIC, Leiter der Sektion Notfallmedizin der ÖGARI und des Bereichs Notfallmedizin und Klinische Forschung an der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Kepler Universitätsklinikums Linz.

Gehirnverletzungen zählen in Österreich zu den häufigsten Todesursachen nach Unfällen und führen trotz modernster notfall- und intensivmedizinischer Versorgung häufig zu schwersten Langzeitfolgen für Betroffene und deren Familien.

Beide Mediziner, selbst ausgebildete Notärzte und in der Flugrettung tätig, weisen darauf hin, dass viele ältere Menschen Antikoagulantien (Blutverdünner) einnehmen – selbst leichte Kopfverletzungen können dadurch lebensgefährliche Hirnblutungen auslösen.

Wie die Erfahrung zeigt, können schwere Schädel-Hirn-Traumata Menschen jeden Alters treffen. „Schwere Schädelverletzungen lassen den Betroffenen nur selten die Chance auf eine vollständige Erholung. Daher unterstütze ich diese Initiative nicht nur als Präsident der ÖGARI, sondern auch als erfahrener Notfallmediziner in der Flugrettung und als Vater dreier Söhne“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Michael Zink, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Die ÖGARI appelliert gemeinsam mit dem KFV für die Einführung einer altersunabhängigen Helmpflicht.

Auch Fachgremien der MedUni Wien warnen: Prävention ist wirksamer als jede Therapie

Der Arbeitskreis Neurotrauma an der MedUni Wien – in dem sich Expertinnen und Experten aus Neurochirurgie, Unfallchirurgie, Anästhesie, Intensivmedizin und Neurologie zusammengeschlossen haben – betont ebenfalls, dass Prävention die einzig effektive Maßnahme ist. Die Erfahrungen aus den Universitätskliniken sind eindeutig: Kopfverletzungen nach E-Scooter- und E-Bike-Unfällen sind häufig schwer, nicht altersgebunden und hinterlassen oft lebenslange Folgen. Eine vollständige Erholung ist nach schweren Kopfverletzungen in der Mehrzahl der Fälle nicht möglich.

Weitere Forderungen und breite Unterstützung

ÖGARI und KFV haben beim Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) ausführliche Stellungnahmen eingebracht.

Neben der Helmpflicht fordert das KFV unter anderem:

  • die verpflichtende Ausstattung von E-Scootern mit zwei voneinander unabhängigen Bremsen
  • die Senkung der maximalen Bauartgeschwindigkeit von derzeit 25 auf 20 km/h

Unterstützt werden die Anliegen weiters von:

  • Berufsrettung Wien
  • Martin Flugrettung
  • ÖNK – Österreichische Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin
  • ÖGNC – Österreichische Gesellschaft für Neurochirurgie
  • Arbeitskreise Polytrauma und Schädel Hirn Trauma der ÖGU
  • sowie weiteren wissenschaftlichen Gesellschaften und Rettungsorganisationen Österreichs

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