Wer nach Hause kommt und eine aufgebrochene Tür vorfindet, steht in der Regel unter Schock. In Österreich wurden im Vorjahr mehr als 64.000 Einbrüche gemeldet – rund 7.000 davon in Wohnräumen. Eine neue Studie vom Fachbereich Eigentumsschutz im KFV und dem Institut für Konfliktforschung liefert nun außergewöhnliche Einblicke in die Denkweise der Täter: In sieben Justizanstalten wurden inhaftierte Einbrecher befragt. Ihre Aussagen zeigen deutlich, was Einbrecher anzieht, was sie abschreckt und welche Fehler die Bevölkerung immer wieder macht. Besonders beliebt sind schlecht gesicherte Altbauten, während moderne, gut geschützte Häuser meist gemieden werden.
Wien, 21. Oktober 2025. Im Jahr 2024 wurden in Österreich pro Tag durchschnittlich 176 Einbrüche verübt, davon 19 in Wohnräumen. „Einbrecher suchen in der Regel keine bestimmten Personen als Opfer aus – sie suchen nach Schwachstellen und Gelegenheiten. Wer sein zu Hause gut sichert, hat daher auch gute Chancen, dass er erst gar nicht ins Visier gerät“, betont KFV-Chefjurist und Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV, Dr. Armin Kaltenegger. Am besten gelingt das, wenn man sich in die Denkweise der Täter hineinversetzt – und genau das haben das KFV und das Institut für Konfliktforschung getan.
„Um tiefere Einblicke in die Denkweise der Täter zu erhalten, wurde bewusst auf standardisierte Fragen verzichtet und individuelle Gespräche geführt“
Im Rahmen der Täterstudie wurden von November 2024 bis Jänner 2025 in sieben österreichischen Justizanstalten insgesamt 35 Einbrecherinnen und Einbrecher interviewt. Ergänzend dazu wurden Gerichtsakten analysiert und Kriminalisten befragt. Auf Basis der Erkenntnisse konnten zielgenaue Präventionstipps entwickelt werden.
Dr. Günter Stummvoll, Kriminalsoziologe und Projektleiter am Institut für Konfliktforschung erklärt dazu: „Zu den zahlreichen Herausforderungen einer solchen Mission gehört es, einerseits Zugang zu den Tätern zu bekommen und andererseits muss man diese auch dazu bringen, möglichst viele Details von ihren Strategien und Taten zu erzählen.“ Alle befragten Straftäter haben freiwillig teilgenommen und sämtliche Fälle wurden anonymisiert. „Um tiefere Einblicke in die Denkweise der Täter zu erhalten, wurde bewusst auf standardisierte Fragen verzichtet und individuelle Gespräche geführt“, so Dr. Stummvoll weiter.
Drei Tätergruppen mit einer auffallenden Gemeinsamkeit „Im Zuge der Befragungen haben sich drei Tätergruppen herauskristallisiert: professionelle Täter, Gelegenheitstäter, die sich in finanzieller Notlage befinden und Milieutäter“, erklärt Dr. Kaltenegger. Trotz dieser Unterschiede eint sie ein wesentlicher Punkt: Die meisten bevorzugen Gebäude mit geringem mechanischem Widerstand – und nicht etwa besonders prachtvolle Häuser. Wohlhabendere Menschen leben zwar häufig in größeren Objekten, diese sind jedoch in der Regel auch deutlich besser gesichert. Besonders attraktiv erscheinen den Tätern daher Altbauten mit veralteten Schließsystemen, doppelflügeligen Türen oder ungesicherten Fenstern.
„Einbrecher werden meist am Vormittag aktiv, wenn viele Wohnungen leer stehen. Oft prüfen sie das durch einfaches Klingeln oder Klopfen. Wird geöffnet, geben sie häufig vor, sich in der Adresse geirrt zu haben“
„Einbrecher werden meist am Vormittag aktiv, wenn viele Wohnungen leer stehen. Oft prüfen sie das durch einfaches Klingeln oder Klopfen. Wird geöffnet, geben sie häufig vor, sich in der Adresse geirrt zu haben“, erklärt Dr. Kaltenegger. Klassische Markierungssysteme wie die sogenannten Gaunerzinken spielen heute kaum noch eine Rolle. Informationen über geeignete Objekte werden mittlerweile digital – etwa über Smartphones – innerhalb der Tätergruppen geteilt. Je nach Tätertyp variiert der betriebene Aufwand beträchtlich, wie Dr. Kaltenegger betont: „Zu den Taktiken gehören beispielsweise die Beobachtung der Zielobjekte über Tage hinweg, das Testen von Alarmanlagen durch ‚Fake-Versuche‘, die Nutzung von YouTube Tutorials zum Schlösserknacken und auch die Spurvermeidung mit Frischhaltefolie oder Reinigungssprays.“
Bevorzugte Werkzeuge: Postschlüssel, Nachsperrmethoden, Hebelwerkzeug Die bevorzugte Beute sind Bargeld, Schmuck und kleine Elektronikgeräte – Dinge, die sich leicht transportieren und schnell weiterverkaufen lassen. Sperrige Gegenstände wie Fernseher oder Möbel bleiben meist zurück. Auch wertvolle Objekte werden oft liegen gelassen, wenn sie schwer verwertbar sind oder ein zu hohes Entdeckungsrisiko bergen. Die Palette an Werkzeugen reicht von einfachen Schraubenziehern über Bolzenschneider bis hin zu speziellen Hebelwerkzeugen zum Öffnen von Tresoren oder Möbeln. Auch Postschlüssel und Nachsperrmethoden – also das schonende Öffnen von Türen ohne sichtbare Spuren – sind in der Szene nach wie vor verbreitet.
Sieben Lektionen aus den Täterbefragungen kompakt zusammengefasst
Lektion 1: Gekippte Fenster und offene Türen wirken wie eine Einladung: Viele Einbrüche passieren nicht in der Nacht, sondern mitten am Tag – während man einkaufen geht, arbeitet oder die Kinder abholt. Täter berichten: „Ein gekipptes Fenster ist ein Geschenk – da komm ich rein, ohne was kaputt zu machen.“ Daher:
Fenster und Balkontüren auch bei kurzer Abwesenheit schließen.
Haustür immer zweimal absperren – auch bei kurzen Besorgungen.
Kellertüren und Garagen stets versperren.
Lektion 2: Einbrecher nutzen Alltagsschwächen aus: Einsehbare Kellerabteile, herumliegendes Werkzeug und ähnliches sind sehr verlockend. Daher:
Werkzeuge und Leitern nie im Freien stehen lassen.
Fahrräder immer an festen Gegenständen sichern – auch im Keller.
Kellerabteile blickdicht und versperrt halten.
Lektion 3: Manche Täter gehen sehr strukturiert vor. Einige Täter spionieren potenzielle Opfer auch aus und entscheiden erst dann, ob sie zugreifen. Daher:
Licht mit Zeitschaltuhren steuern – und nicht immer die gleichen Zimmer beleuchten.
Briefkasten täglich leeren und im Urlaub durch eine Vertrauensperson leeren lassen.
Vorhänge tagsüber nicht dauerhaft geschlossen halten – das wirkt verdächtig.
Kein Bargeld zu Hause lagern, Wertsachen schwer auffindbar verwahren.
Lektion 4: Sozialer Zusammenhalt wirkt abschreckend. Einbrecher meiden Gegenden, in denen Menschen sich gegenseitig gut kennen und aufmerksam sind. Daher:
Kontakt zu Nachbarn pflegen.
Auffällige Personen höflich, aber direkt ansprechen: „Suchen Sie jemanden?“
Im Haus auf verdächtige Geräusche achten – im Zweifel nachsehen oder Hilfe holen.
Lektion 5: Täter schrecken nicht immer vor bewohnten Häusern zurück: „Wenn ich nicht weiß, ob jemand daheim ist, geh ich trotzdem rein“, berichten Täter. Daher:
Alarmanlagen an Außentüren und -fenstern auch aktivieren, wenn man zu Hause ist.
Regelmäßige Wartung und Funktionsprüfung von Alarmanlagen und Bewegungsmeldern.
Videotürklingel anbringen und dunkle Bereiche mit Bewegungsmeldern ausleuchten.
Auch in Mehrparteienhäusern nicht einfach die Tür öffnen, sondern die Gegensprechanlage nutzen.
Lektion 6: Einbrecher nicht attackieren: Einbrecher werden selten gewalttätig, außer sie fühlen sich bedroht. Daher:
Täter nicht stellen – sondern Fluchtwege freilassen.
Bei aufgebrochener Wohnungstür nicht eintreten – sondern die Polizei verständigen.
Lektion 7: Vorsicht bei Insiderwissen und Gewohnheiten. Auch Personen mit Zugang zum Haus – etwa Reinigungskräfte – können unbeabsichtigt Informationen weitergeben. Daher:
Reinigungspersonal möglichst nur über persönliche Empfehlung beauftragen – nicht über Aushänge oder Inserate.
Schlüssel nicht verstecken (zum Beispiel unter der Fußmatte oder im Blumentopf).
Über längere Abwesenheiten nur enge Vertrauenspersonen informieren.