Rote Ampeln, schwarze Schafe: Rotlichtmissachtungen im Fokus der Forschung

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Tausende Verkehrsteilnehmende sehen regelmäßig rot, wenn sie österreichische Straßen kreuzen. Wer rote Ampeln ignoriert, wie oft und warum dies passiert, welche Auswirkungen diese riskante Rotlicht-Ignoranz hat und ob dieser fatale Trend zur Modefarbe Rot beim Passieren von Kreuzungen grassiert – all das und noch mehr nahm ein KFV-Forschungsteam in einer neuen Studie präzise unter die Lupe.

Ein Land sieht rot? Die Ignoranz von rotem Ampellicht zählt zu den populärsten Verkehrsvergehen auf Österreichs Straßen – mit fatalen Folgen: Vorrangverletzung/Rotlichtmissachtung hält mit einem Anteil von 25 % aktuell auf Platz 2 der Hauptunfallursachen im Straßenverkehr. Tendenz leider steigend.

Eine neue KFV-Studie nahm das Problem von Rotlichtmissachtungen auf Österreichs Straßen in den Fokus – mit drei zentralen Forschungsfragen:

  • Wie verbreitet sind Rotlichtmissachtungen in Österreich?
  • Welche Auswirkungen haben Rotlichtmissachtungen auf die Verkehrssicherheit?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Häufigkeit von Rotlichtmissachtungen?

Im Rahmen der KFV-Studie wurde eine umfassende Unfalldatenauswertung betreffend Kollisionen Rotlichtmissachtender im österreichischen Straßenverkehr vorgenommen. Im Zuge dieser Analyse wurden alle Rotlichtmissachtungsunfälle (Unfälle an ampelgeregelten Kreuzungen, bei denen mindestens eine verkehrsteilnehmende Person ein Ampelsignal missachtet hat) des Zeitraums 2017-2021 detailliert nach Unfallschwere, Bundesland sowie Geschlecht, Alter und Art der Verkehrsteilnahme der Rotlichtmissachtenden ausgewertet.

Weiters wurde eine für die österreichische Bevölkerung repräsentative Online-Befragung von rund 2.700 Personen zur Häufigkeit von Rotlichtmissachtungen und zu diesbezüglichen Einstellungen und subjektiven Beweggründen durchgeführt.

Darüber hinaus erfolgte eine videobasierte Vor-Ort-Beobachtung von fast 82.000 Verkehrsteilnehmenden an zehn ampelgeregelten Kreuzungen in ganz Österreich, um weitere Informationen über Auftreten und Häufigkeit von Rotlichtmissachtungen und über die jeweilige Art der Verkehrsteilnahme zum Zeitpunkt der Rotlicht-Ignoranz zu erhalten.

Resultate der Rotlicht-Studie
Die Ergebnisse der Befragung und der videobasierten Beobachtung zeigen den unrühmlichen Beliebtheitsstatus von Rotlichtmissachtungen auf Österreichs Straßen:

  • 40 % der Befragten hatten in den vergangenen fünf Jahren mindestens eine rote Ampel missachtet.
  • 6 % aller beobachteten Verkehrsteilnehmenden querten die jeweilige Kreuzung bei Rot.
  • Besonders oft setzen sich Zufußgehende und E-Scooter-Lenkende über rotes Ampellicht hinweg: 15 % der befragten Zufußgehenden und 10 % der befragten E-Scooter-Lenkenden queren nach Eigenaussage mindestens zwei- bis dreimal pro Woche eine Straße bzw. Kreuzung bei Rot.
  • Die höchsten Anteile an allen beobachteten Rotlichtmissachtenden lieferten E-Scooter-Lenkende und Radfahrende (jeweils 12 %), gefolgt von Zufußgehenden mit 8 %.
  • Nur 2 % der beobachteten Pkw-Lenkenden missachteten rotes Ampellicht. Diesen geringen Pkw-Rotlicht-Prozentsatz spiegelt auch die Personenbefragung wider: Ebenfalls 2 % der befragten Pkw-Lenkenden gaben an, mindestens zwei- bis dreimal pro Woche eine Kreuzung bei Rot zu überqueren.
  • Die Beobachtungen von Personen, die zu Fuß, mit dem Rad oder E-Scooter unterwegs waren, führten überdies vor Augen: Rotlichtmissachtungen wurden vor allem von Männern (62 %) und jungen Erwachsenen im Alter von 19 bis 39 Jahren (54 %) begangen.

Fehltritte mit fatalen Folgen
Pro Jahr kommt es auf Österreichs Straßen zu durchschnittlich 525 Rotlichtmissachtungsunfällen mit Personenschaden und 774 involvierten Verunglückten.

Die analysierten Unfalldaten aus 2017-2021 zeigen außerdem: Das rote Ampellicht wurde in den meisten Fällen von Pkw-Lenkenden (64 %) missachtet, geringere Anteile hatten rotlichtmissachtende Zufußgehende (14 %) und Radfahrende (8 %).

Die KFV-Befragung zeigt: Vor allem von Pkw- und Motorrad-Lenkenden werden Rotlichtmissachtungen als gefährlich für alle Beteiligten eingestuft – für die ungesetzlich handelnde Person und auch für andere Verkehrsteilnehmende.

Rotlichtmissachtungen zu Fuß und mit dem Fahrrad wurden hingegen mehrheitlich als vermeintlich ungefährlich eingeschätzt.

40 % der Befragten hatten bereits kritische Situationen rund um rote Ampeln erlebt – 25 % per Pkw, 15 % zu Fuß.

Immerhin 8 % der Befragten waren bereits in Rotlichtmissachtungsunfälle involviert.

Ursachen und Gegenmaßnahmen
Die Beweggründe für Rotlichtmissachtungen sind vielfältig, ebenso deren Einflussfaktoren. Die KFV-Befragung lässt wissen: Rotlichtmissachtungen zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit dem E-Scooter werden meist bewusst ausgeübt, etwa weil gerade keine anderen Verkehrsteilnehmenden vor Ort sind oder die Wartezeit an der roten Ampel zu lang erscheint. Am Steuer eines Pkw wird das Rotlicht meist aufgrund von Unachtsamkeit missachtet.

Der Lokalaugenschein hat gezeigt: Höhere Anteile von Rotlichtmissachtungen Zufußgehender wurden in unmittelbarer Nähe von Öffi-Stationen und bei geringer Frequenz querender Verkehrsströme festgestellt.

Zu einer Reduktion der Rotlichtmissachtungen könnten nach Meinung der vom KFV befragten Personen etwa folgende Faktoren beitragen: kürzere Wartezeiten an Ampeln, visuelle Ankündigung des grünen Ampellichts, mehr Überwachung und höhere Strafen.

KFV-Fazit: Grünes Licht für Bewusstseinsbildung, Überwachung & bauliche Verbesserungen

Die KFV-Fachleute geben ihrerseits grünes Licht für folgende Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit:

  • Bewusstseinsbildung: Sicherheit beginnt im Kopf. Eigen- und Fremdrisiko durch Rotlichtmissachtungen müssen erkannt und berücksichtigt werden – besonders die hohe Gefahr für allzu mutige Radfahrende, E-Scooter-Lenkende und Zufußgehende, die im Rahmen der Studie am häufigsten rote Ampeln missachteten und das damit verbundene Risiko fälschlicherweise als besonders gering einschätzten. Verstärkte Bewusstseinsbildung soll also für vermehrten Durchblick sorgen.
  • Gesetzgebung und Überwachung: Mehr Achtsamkeit in Sachen Ampelkunde sollten auch eine Erhöhung der Strafen für Rotlichtmissachtungen und verstärkte Kontrollen bewirken, vor allem des Kfz-Verkehrs mittels Rotlichtüberwachungskameras.
  • Verkehrstechnische Maßnahmen: Standortspezifische Anpassung von Signalprogrammen und bedarfsorientierte Ampelschaltungen können kürzere Wartezeiten bei Ampeln ermöglichen. Weitere Optionen für mehr Sicherheit sind die Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in unfallträchtigen Kreuzungsbereichen sowie eine bedarfsgerechte Anpassung der Knotenpunkt-Geometrie von Kreuzungen und weiterer baulicher Gegebenheiten, um möglichst kurze Querungslängen für Zufußgehende zu realisieren.

Die vollständige Studie finden Sie hier als Download-Version:
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