Assistierte Fahrfunktionen versprechen mehr Komfort und Sicherheit auf der Straße. Doch wie schlagen sich Level-2-Assistenzsysteme abseits der Autobahnen? Eine länderübergreifende Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) und der deutschen Unfallforschung der Versicherer (UDV) zeigt: Auf Landstraßen stößt die Technologie noch an ihre Grenzen. Im Durchschnitt war alle fünf Minuten ein menschlicher Eingriff erforderlich.
Level-2-Fahrfunktionen übernehmen die Längs- und Querführung des Fahrzeugs und wurden primär für den Einsatz auf Autobahnen mit regelkonformer Infrastruktur, gleichförmigem Straßenverlauf und einheitlichen Fahrbahnmarkierungen konzipiert. Das vielfältige Design von Landstraßen birgt für diese Technologien noch eine Vielzahl von Herausforderungen. Ein Forschungsprojekt des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), der Schweizer Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) und der deutschen Unfallforschung der Versicherer (UDV) untersuchte im Realverkehr und am Testgelände, ob Level-2-Fahrunktionen für einen sicheren Einsatz auf Landstraßen geeignet sind.
Testbedingungen im Realverkehr: Drei Länder, drei Fahrzeuge, zwei erfahrene Lenker*innen
Um länderspezifische Unterschiede in Topografie, Fahrbahngegebenheiten und Verkehrszeichen zu berücksichtigen, führte die Realverkehr-Teststrecke durch Österreich, Deutschland und die Schweiz. Die Auswahl der Streckenabschnitte konzentrierte sich auf Landstraßen, die eine Aktivierung und dauerhafte Nutzung von Level-2-Fahrfunktionen ermöglichten. Zum Einsatz kamen drei Elektro-Pkw mit aktuellem Euro NCAP Rating aus dem Premium-, Kompakt- und Mittelklasse-Segment, sowie modernste Video-, Audio- und Sensor-Messtechnik und zwei erfahrene Testfahrer*innen.
Herausforderungen für Level-2-Systeme: Spurhalten, Geschwindigkeit und unklare Reaktionen
Die Tests offenbarten gravierende Schwächen der Systeme:
- Unzulänglichkeiten in der Querführung: In Kurven, aber auch auf geraden Strecken neigten die Fahrzeuge dazu, die Fahrbahn zu verlassen oder in den Gegenverkehrsbereich zu geraten. Spurhalteprobleme traten auf, wenn sich der Lane Centering Assist in einer Kurve deaktivierte oder die Bodenmarkierungen nicht erkannt wurden und das System in die Straßenmitte einlenkte.
- Fehler bei der Geschwindigkeitswahl: Diese zeigten sich vor allem bei der Anpassung der Geschwindigkeit an die Straßenführung in Kurven oder an Kreuzungen sowie beim konkreten Erkennen von Tempolimits.
- Widersprüchliche Brems- und Beschleunigungsvorgänge: Diese traten meist dann auf, wenn dem System eindeutige Referenzpunkte zur Regulierung der eigenen Geschwindigkeit fehlten, etwa wenn das vorausfahrende Fahrzeug abbog oder nach der Durchfahrt eines Kreisverkehrs.
Die Mensch-Maschine-Schnittstelle als kritischer Faktor
Ein weiteres zentrales Ergebnis: Die Kommunikation zwischen Fahrer*in und System ist entscheidend. Klare, intuitive Rückmeldungen sind unerlässlich, um spontane und sicherheitskritische Situationen richtig zu bewerten und darauf zu reagieren.

Testbedingungen auf dem Testgelände: Drei kritische Szenarien mit 24 Proband*innen
Um die Assistenzsysteme unter besonders realitätsnahen, aber auch sicheren Bedingungen zu testen, wurden drei realistische Szenarien auf einem Testgelände simuliert:
- Verlassen des Fahrstreifens in einer Rechtskurve mit Gegenverkehr
- Verlassen des Fahrstreifens in einer Linkskurve zum Fahrbahnrand
- Ausweichmanöver in Reaktion auf ein plötzlich auftauchendes Hindernis
Insgesamt wurden 72 Testfahrten durchgeführt – mit ernüchternden Ergebnissen: In allen drei Szenarien kam es häufig zu verzögerten Reaktionen und Spurabweichungen.
Fazit: Menschliche Aufmerksamkeit bleibt unerlässlich
Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit, warnt vor blindem Vertrauen in die Technik:
„Level-2-Fahrfunktionen sind auf Landstraßen noch nicht ausgereift. Die Vielfalt der Straßenbeschaffenheiten stellt eine große Herausforderung dar. Unsere Tests zeigen, dass die Technologie auf Landstraßen mit komplexen Verkehrsbedingungen noch an ihre Grenzen stößt. Wir empfehlen daher, diese Systeme nicht auf Landstraßen sondern nur auf Autobahn zu nutzen und die Fahrer*innen müssen stets wachsam bleiben und jederzeit bereit sein einzugreifen.“
Link zum Download der neuen Studie: